Montag, 28. Dezember 2015

Mehr erreichen über Tiefstatus?

Führungskräfte sollten Tiefstatus eher vermeiden
Im letzten Artikel beschäftigten wir uns mit dem Hochstatus als Kommunikationsform in der Mitarbeiterführung. Diesmal rücken wir eine weitere Variante in unseren Fokus: den Tiefstatus.

 

 

 

Tante Gerti

Kennen Sie auch diese Menschen, die Ihnen bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Ohren volljammern, bis Sie sich selbst ganz schlecht fühlen?
Die meisten von uns dürfen sich in ihrer Verwandtschaft über mindestens
eine - ich nenne sie mal „Tante Gerti“ - freuen.
Tante Gerti antwortet reflexartig auf jegliche Form der Kontaktaufnahme ungefähr so: „Was soll ich dir sagen? Meine Beine, die bringen mich noch um, wenn da nicht diese Schmerzen im Rücken wären. Weißt du, in meinem Alter freut man sich über jede Minute, die man ohne Leiden erlebt.“
So in etwa geht es weiter, bis man sich selbst total mies fühlt, weil man die Frechheit besitzt, gesund und munter zu sein.
Entweder lässt es Tante Gerti dann gut sein, denn schließlich konnte sie - meist unbewusst - ihr Ziel erreichen und Ihr Energie-Level auf einen historischen Tiefstand hinunter ziehen, oder sie setzt zum finalen Schlag an.
„Kannst du mir mal bei den Einkäufen helfen? Das Tragen, das schaffe ich nicht mehr, denn ...“ und bevor sie wieder mit dem Jammern beginnt, helfen wir unserer Tante Gerti lieber.
Auch wenn wir vielleicht gar keine Zeit haben, oder andere Aufgaben erledigen wollten.

So in etwa sieht die Strategie aus, sobald jemand bewusst in den Tiefstatus geht, um seine Forderungen und Ziele durchzusetzen. Wir ziehen den Gesprächspartner herunter und wie ein Rennfahrer auf dem Nürburgring überholen wir von rechts, wenn diese Person einen Gang zurückgeschaltet hat.

Tiefstatus als Führungstechnik?

Ich kenne Führungskräfte, die mittels Tiefstatus Arbeiten delegieren und dadurch für sich selbst Zeit erkaufen. Natürlich auf Kosten anderer.
„Ich weiß nicht mehr, wo ich zuerst sein soll. Wie soll ich die Präsentation vorbereiten, wenn ich zwei Telefonkonferenzen mit dem HQ führen muss? Herr Maier, da müssen Sie mir helfen, schließlich sind Sie der Produktmanager! Bereiten Sie mir mal die Zahlen auf, den Rest mache ich schon.“
So in etwa laufen diese Gespräche ab. Leidet diese Führungskraft an einer Inflation von Telefonkonferenzen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls darf Herr Maier Daten aufarbeiten, die eigentlich nicht in seinem Tätigkeitsbereich liegen. Aber wer will schon seinen Chef enttäuschen, vor allem, wenn dieser vor Arbeit beinahe umkommt, nicht wahr?

Führungskräfte wenden den Tiefstatus als Kommunikationstechnik dann verstärkt an, wenn sie sich nicht sicher genug fühlen, mittels anderer Techniken, Anweisungen beispielsweise, ihre Führungsrolle wahrzunehmen.
Natürlich funktioniert der Tiefstatus für eine gewisse Zeit, doch der Preis ist in den meisten Fällen hoch: Mitarbeiter erwarten von ihren Chefs nämlich klare Ansagen. Eine exzellente Führungskraft sollte souverän sein, sie trifft Entscheidungen, setzt diese durch und sie gibt dem Team ein Gefühl zu wissen, wo es langgeht.
Der Tiefstatus als gewählte Kommunikationsform schwächt Teamleiter in ihrer Rolle und das geht letztlich, nach einiger Zeit, gehörig ins Auge.

Die Gefahren von erzwungenem Tiefstatus

Tiefstatus kann aber auch auf andere Weise entstehen, nämlich als Reaktion auf ein Hochstatus-Verhalten unseres Gesprächspartners (siehe dazu diesen Artikel). Sollten wir in einem solchen Fall nicht mit Hochstatus dagegenhalten, wechseln wir wahrscheinlich in den Tiefstatus. Vor allem dann, wenn wir einer hierarchisch höher gestellten Person, dem Chef beispielsweise, gegenüberstehen.
Wir ordnen uns also unter, signalisieren dies verbal („Selbstverständlich!“, „Natürlich, da haben Sie recht!“, etc.) und auch körpersprachlich.

Eine Gefahr birgt diese Kommunikationsvariante: Führungskräfte, die ständig bei ihren Mitarbeitern Tiefstatus hervorzurufen versuchen, werden mit der Zeit unverweigerlich auf Gegenwind stoßen. Schließlich möchte sich niemand permanent „unterwürfig“ zeigen und wird irgendwann dagegen revoltieren. Sei es, indem er seinen Chef beginnt abzulehnen, ein Verhalten, das häufig als innere Kündigung ausgedrückt wird, oder er gleicht diesen Machtverlust aus. Beispielsweise, wenn er bei den Arbeitskollegen über seinen Chef herzieht.
Natürlich tritt so etwas nicht sofort ein, unterm Strich müssen Führungskräfte auch Entscheidungen durchsetzen und diese kommunizieren sie in erster Linie durch Hochstatus. Hier macht jedoch die Dosis das Gift und welche Möglichkeiten wir in der Kommunikation zusätzlich besitzen, erfahren Sie im dritten Teil dieser Artikel-Reihe, wenn wir uns über den Gleichstatus unterhalten.

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